Auf zum vierten Punkt, den ich zum Marvel Heroic Roleplay festgehalten habe:
Die Struktur des Systems und der Regeln und die Struktur der vorhandenen Abenteuer machen es sehr einfach zu improvisieren. Der Grad an Vorbereitung hält sich in Grenzen und im Vergleich zu Systemen wie HERO System oder D&D 4 kann ich mich als DM auf die Geschichte konzentrieren, anstelle mich auf die Mechanik konzentrieren zu müssen.
Das sind mal wieder gleich mehrere Dinge, die für mich aber stark zusammen gehören. Erstens sind Rulings und Ideen, die einem kommen On-The-Fly leicht umzusetzen.
Eine Reihe von Situationen hatte ich letztens:
Was ist, wenn die Helden überall in der Stadt verteilt sind, irgendwo ein SChurke angreift und sie erst eingreifen können, wenn sie da sind? Wie Sorge ich dafür, dass der Doom Pool eine brauchbare Größe hat und die Helden dafür arbeiten müssen, zum Ort des Geschehens zu kommen – vielleicht weil auf den Strassen Panik ausgebrochen ist, weil unklar ist, wie sie zum Ziel kommen und es trotzdem schnell gehen muss?
Ich hab den Spielern einfach eine Complication verpasst: Entfernung. Das erlöst mich davon, genau festzulegen wo jemand ist und wie schnell sich wer bewegen kann, um die Zeit bis zum Ziel zu simulieren. Es sorgt auch dafür, dass der schnellste Held nicht immer der erste Held ist. Ausserdem können die Spieler mit cooler Erzählung ihre Erfolgschancen drastisch beeinflussen. Im Idealfall braucht der erste Held nur eine Runde bis zum Ziel.
Ich habe von einem anderen Fall gehört, in dem ein Watcher eine Complication „Only Hero on the Scene“ verwendet hat, um dafür zu sorgen, dass die Helden nach und nach eintreffen. So eine Komplikation muss sich also nicht auf ein physisches Element einer Szene beziehen, sondern könnte genug einfach ein erzählerisches Element darstellen.
In einer anderen Situation war ein Feuer ausgebrochen und ich habe mich gefragt, wie ich so ein Feuer richtig gefährlich machen kann. Wenn man das Regelwerk liest könnte man denken, dass so ein Feuer in erster Linie Mal eine Complication oder eine Eigenschaft einer Szene ist, also selber gar nciht unmittelbar eine Rolle spielt, aber mittelbar den tatsächlichen Gegnern hilft oder die Spieler behindert. Aber was spricht dagegen ein Feuer einfach als einen Gegner zu entwerfen? Ich hab einfach einen Mob draus gemacht und dafür gesorgt, dass er bei einem Angriff nicht nur den SCs Schaden macht, sondern vor allem den Doom Pool steigen lässt: Das Feuer zerstört die Umgebung und macht alles viel gefährlicher.
Wieder eine andere Situation: Eine Befragung eines Gegners. Einer der Spieler hat einfach einige Details ausformuliert, die Befragung in Teilen eben ausgespielt und ein paar gute Ideen dabei eingebracht. Hier wurde gewürfelt, weil die Befragung wichtig war – ich hab dem Spieler einfach angeboten für die Erzählung einen Stunt-Würfel zusätzlich zu verwenden und damit war dann auch das Ergebnis einfach überragend. Eigentlich sind Stunts für den Einsatz von Powers gedacht, aber warum sollte man sie nicht auch in Situationen, wo es angebracht ist, auch ausserhalb verwenden?
Durch die relativ Breite Aufstellung von Specialties, Powers oder Distinctions fällt es sehr leicht mit Ideen aufzuwarten.
Das andere Element, was mir dabei hilft zu improvisieren ist, dass man Helden oder Schurken „auf einen Blick“ erfassen kann. (Über die Vorzüge des Charakterblattes von MHR habe ich in diesem Zusammenhang schon berichtet.)
Das heisst auch: Es sind einfach nicht besonders viele Informationen, die man braucht, um einen Schurken oder eine gefährliche Situation aufzustellen. In nahezu jedem Rollenspiel macht man sich ja zu NSCs und Situationen Notizen, damit man als GM über die Stichworte schnell Handlungsweise, Ziele und Fähigkeiten / Taktik im Blick hat. Für MHR kann man diese Stichworte Kinderleicht verwenden, um daraus einen Schurken zu bauen – insbesondere die einfacheren Gegner sind mit den Stichpunkten hinreichend beschrieben und es ergeben sich fast automatisch die nötigen Würfelpools. Erzählung und System greifen Hand in Hand. So ist auch schnell ein Gegner improvisiert.
Klar sollte man in den besonders wichtigen NSC, den Oberbösewicht, die Szene, die den Höhepunkt einer Session oder eines Kapitels darstellt immer noch etwas mehr Zeit investieren. Aber auch wenn man das macht sind Details schnell angepasst. Man muss keine große Liste von Zaubern, Feats oder ähnlichem kennen, die vielleicht alle mit Sonderregeln daherkommen. Selbst die Limits oder Special Effects, die vielleicht der problematischste Teil eines Power Sets darstellen, kann man schnell Mal improvisieren. Die meisten SFX funktionieren nach dem gleichem Muster (Gib einen Plot Punkt aus für einen punktuellen, Vorteil.)
Und wenn man Mal etwas „heftiger“ werden muss? Dann macht man es einfach: Dieser Übermächtige Gegner kann 3 Würfel für das Ergebnis zusammenzählen. Oder diese Power aus seinem Powerset beinhaltet nicht einen Würfel, sondern automatisch immer zwei. Oder: physischer Schaden wird immer um eine Stufe reduziert. (Das habe ich Mal für eine Gruppe Zombie-Gegner gemacht. Hat gut funktioniert OHNE das Spiel kaputtzumachen!)
Die Möglichkeiten sind beeindruckend und trotzdem einfach und schnell erfasst, umgesetzt und erweitert. Man sollte nur aufpassen, dass man nicht den Charme des Systems zerstört: Alles auf einen Blick erfassbar halten und Erzählung und System auf einer Linie halten. Beides ist kein großes Problem.